EditorialWindows 10

Sonntagslektüre: Windows Lite mit neuem Edge ist Windows Chrome OS

Microsoft arbeitet aktuell an einer Lite-Version von Windows 10. Im Vergleich zu Windows 10 geht es beim leichten Windows vor allem um Einschränkungen, um Reduktion und Entschlackung des Systems. Aber was bleibt dann noch?

Weniger ist manchmal mehr: Windows ist nicht weniger

Wer sich beim Kauf bewusst für ein Windows-Tablet anstatt für ein iPad oder Android-Tablet entscheidet, der will mehr haben als Apple und Google anbieten können. Dieser Käufer will Kompatibilität zu Windows-Programmen haben, die volle Office-Suite nutzen und notfalls auch fortgeschrittenere Anwendungen als Smartphone- und Tablet-Apps verwenden können. Zusammengefasst kann man sagen: Der informierte Windows-Käufer will mehr Produktivität. Wer sich bewusst gegen Chrome OS, Android und iOS entscheidet, entscheidet sich ausschließlich für volles Windows.

Genau aus diesem Grund darf der Windows-Name für ein Lite-Produkt nicht stehen bleiben. Windows RT und Windows 10S haben bereits gezeigt, welche Schwierigkeiten die Verwirrung von Nutzern für Microsoft bedeuten kann. Mit ein Grund für das Versagen von Windows 8 war auch Windows RT. Windows 8 wurde zu oft mit „nicht vollwertigem“ Windows in Verbindung gebracht.

Windows 10 Lite: Das Windows Chrome OS

Mit einem neuen Namen hat Microsoft die Chance, Windows endlich für Low-End-Geräte bereit zu machen. Windows 10 ist selbst im S-Modus noch so umfangreich, dass 32 Gigabyte an internem Speicher langfristig kaum ausreichen. Werde ich nach günstigen Laptop- oder Detachable-Empfehlungen mit Windows 10 gefragt, nenne ich den Celeron N3450 (Quadcore), 4 Gigabyte Arbeitsspeicher, 64 Gigabyte Speicher und ein FullHD-Display als Mindestvoraussetzung, um im Alltag ein ausreichend gutes Benutzererlebnis zu erhalten. Preislich reden wir hier von mindestens 300 Euro bei Notebooks und etwa 350 bis 400 Euro für Detachables.

Es gibt allerdings einen Markt unter diesem Preisbereich und es gibt auch ausreichend Hardware, um dieses Segment zu bedienen. Intel Atom, Intel Celeron Dualcores oder gar günstige ARM-Chips. Microsofts Software kann diesen Computing-Bereich in Wahrheit nicht bedienen, wenn man ein gutes Benutzererlebnis haben möchte. Die große Stärke des Windows Phone-Betriebssystems war nie eine des großen Bruders am Desktop.

Dafür wird es allerdings höchste Zeit und die Arbeit an Product Lite deutet aktuell darauf hin, dass genau ein solches Ziel angestrebt wird. Windows 10 wird auf den Kern reduziert, Desktop-Altlasten werden entfernt oder durch UWP-Komponenten ersetzt und das Resultat ist ein schlankes, leichtes Windows-basiertes System mit anderem Namen, das selbst auf Low-End Hardware läuft.

Product Lite: Was kann es nicht?

Zu welchem Preis? Eine Entschlackung des Systems bringt natürlich Einschränkungen mit. Welche das sein werden, ist momentan weitgehend unklar. Es kann nur darüber spekuliert werden, wie konsequent Microsoft im Endeffekt die alten Win32-Komponenten entfernen bzw. ersetzen wird. Das ist natürlich nicht nur eine Frage des Willens, sondern auch der Zeit.

Die meisten Microsoft-Journalisten gehen davon aus, dass Product Lite entweder auf Store-Anwendungen oder gar vollständig auf UWP-Apps und Progressive Web Apps reduziert sein wird. Mary Jo Foley suggerierte in einem kürzlich veröffentlichten Artikel, dass „Product Lite“ möglicherweise nicht mit allen Store-Programmen kompatibel sein wird. Das deutet darauf hin, dass es eine technische Beschränkung auf PWA und UWP geben könnte. Durch die Entfernung von Win32-Umgebungen könnten eine Menge Ressourcen eingespart werden.

Brad Sams lieferte daraufhin einen weiteren interessanten Hinweis zur möglichen Win32-(In-)Kompatibilität von Product Lite. Microsoft will bei Xbox-Games in Zukunft auf die Cloud setzen. Ähnlich könnte sich das auch mit Windows 10 Lite abspielen. Wer Photoshop und Co. benötigt, kann diese Anwendungen aus der Cloud streamen. Ähnlich wie das unter Continuum auf dem HP Elite x3 möglich gewesen war. Das Finanzierungsmodell von Windows Lite ist natürlich ebenfalls völlig unbekannt. Denkbar wäre, dass Windows Lite grundsätzlich kostenlos ist und man gegen ein „Windows 365“-Abonnement die Desktop-Programme in der Cloud ausführen kann. All das ist an dieser Stelle allerdings reine Spekulation und wahrscheinlich nicht einmal bei Microsoft intern abgeklärt.

Windows Chrome OS

Die größte Schwierigkeit für ein Lite-Produkt basierend auf Windows ist allerdings die Positionierung auf dem Markt. Welchen Vorteil bietet ein abgespecktes Windows gegenüber Chrome OS?

Besonders dann, wenn auch Windows Lite wie auch Googles Chrome OS auf Chromium als Browser-Basis setzt, PWAs auf dieselbe Weise aus dem Web beziehen lässt und nur den Zugriff auf eine sehr beschränke Zahl an Apps gewährt. Die Kompatibilität von Chrome OS mit Android-Anwendungen bietet Nutzern eine größere Auswahl an qualitativen Anwendungen im Vergleich zu UWP. Man muss sich neidlos eingestehen, dass selbst die Android Tablet App-Plattform umfangreicher und qualitativer ist als das UWP-Angebot im Microsoft Store.

Wie es Microsoft auch drehen und wenden mag, ein Windows Lite ohne Desktop-Programme ist nicht besser als Chrome OS. Und mit Edge auf Chromium-Basis ist es auch nicht wirklich anders als Chrome OS. Im Grunde ist es Windows Chrome OS, egal, ob es nun Windows Lite, Microsoft Edge OS oder Microsoft Core OS heißen mag. Als Nutzer muss man sich dann fragen, warum man nicht gleich auf das Original von Google setzen sollte statt auf Microsofts Kopie auf Windows-Basis?

Auf diese Frage muss Microsoft mit Windows Lite eine überzeugende Antwort liefern. Wie diese aussehen wird, darüber sollte Microsoft langsam aber sicher nachdenken bevor ein weiteres, undurchdachtes Produkt voreilig ausgeliefert wird.

Was denkt ihr? Wie kann Microsoft eine Lite-Version von Windows auf den Markt bringen und gleichzeitig einen Mehrwert gegenüber Android und Chrome OS bieten?

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"Entdeckung besteht darin, den gleichen Gegenstand wie alle anderen zu betrachten, sich aber etwas anderes dabei zu denken."
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