EditorialWindows 10

Meinung: Wie schnell wird Windows 10 ARM eingestellt?

Das Microsoft Surface Pro X ist für Microsoft ein Meilenstein in vieler Hinsicht. Zwei Jahre nach Vorstellung von Windows 10 ARM baut der Konzern hinter dem System auch entsprechende Hardware.

In meinem Video vom Surface-Event in Berlin erklärte ich genauer, weshalb für mich das Surface Pro X das „OG-Surface“ ist, weshalb ich darauf nicht näher eingehen möchte.

Surface Pro X Test: Keine positiven Reaktionen

Microsoft selbst konnte uns bislang kein Gerät für den Surface Pro X Test bereitstellen. Andere Medien, die das Gerät zum US-Marktstart testen konnten, waren allerdings nicht sehr begeistert davon. Die Kritikpunkte waren leider vielseitig: Die Akkulaufzeit bleibt unter den Erwartungen, die Performance war mittelmäßig angesichts des Preises und die Tester waren oftmals verwirrt davon, was nun damit kompatibel ist und was nicht.

Als geneigter Microsoft-Fan und Technik-Enthusiast kann man nun auch die Reviewer kritisieren. Die Laufzeiten entsprechen etwa dem, was Microsoft verspricht und sind rein mit ARM-Anwendungen besser. Die Performance ist mit nativen ARM-kompilierten Anwendungen extrem gut und als Technik-Journalist müsste man doch wissen, dass 64-bit Programme und Spiele nicht laufen. Und generell: Wer bitte muss unbedingt Grand Theft Auto V auf einem 7 Millimeter dünnen Tablet spielen?

Henne-Ei-Problem-Reloaded

All das steht, genauso aber die Erfahrungsberichte der Tester. Diese sind absolut legitim. Angesichts des hohen Preises sind Laufzeiten im Vergleich zu anderen Windows-Geräten schwach, die Performance mit den meisten Programmen ebenso und in Sachen App-Kompatibilität sind die Reviewer nur realistisch.

Kein Normalverbraucher kennt den technischen Unterschied zwischen x86 und ARM, wenn doch die meisten Personen auf der Straße ihr Smartphone-Betriebssystem höchstwahrscheinlich als „Apple“ oder „Samsung“ klassifizieren würden. Es ist hoffnungslos, die Nutzer auf die Suche zu schicken nach den vier ARM64-kompilierten Programmen außerhalb des Microsoft Stores, damit diese die Performance-Unterschiede zwischen nativer Ausführung und Emulation nicht bemerken.

Windows 10 ARM hat das Problem, welches Windows Phone einst hatte. Es gibt kaum Apps. Das lässt sich zwar durch Emulation einigermaßen überbrücken, aber man büßt viel Performance und Effizienz ein. Ausgerechnet durch die Möglichkeit der Emulation nimmt man Entwicklern allerdings die dringende Notwendigkeit weg, ihre Anwendungen für die Plattform neu zu kompilieren. Inbesondere, solange Windows 10 ARM noch keine kritische Masse an Nutzern erreicht hat.

Hersteller-Unterstützung schwindet

Das ist angesichts des hohen Preises der Geräte mit Qualcomm-Hardware allerdings kaum zu schaffen. Noch schwieriger macht das die Tatsache, dass sich viele Hersteller von der Plattform verabschieden, bevor diese überhaupt erst durchgestartet ist.

HP brachte mit dem HP Envy x2 in den USA ein Windows 10 ARM-Tablet auf den Markt. Der Nachfolger des Envy x2 nutzte einen Intel-Prozessor. Lenovo präsentierte zwei Geräte. Das Lenovo Miix 630 mit dem Snapdragon 835 stand sogar einige Monate lang in Deutschland zum Verkauf. Das Lenovo Yoga C630 wurde ein Jahr später, nämlich im August 2018, in Berlin präsentiert mit dem neueren Snapdragon 855. Kein einziges Modell schaffte es seitdem in den Verkauf. Kein Einziges. Der Nachfolger heißt Lenovo Yoga C640, wurde im September 2019 präsentiert und nutzt Intel-Prozessoren.

Noch ein konkreteres Beispiel für das Absterben der Hersteller-Unterstützung für Windows 10 ARM lieferte Samsung zuletzt: Anfang August wurde das neue Samsung Galaxy Book S mit Windows 10 ARM und den brandneuen Snapdragon 8cx-Prozessoren offiziell vorgestellt. Es war ein vielversprechendes, neues Notebook auf ARM-Basis mit Windows 10. Es sollte im September auf den Markt kommen ab 999 US-Dollar. Geschehen ist das allerdings nicht. Ende Oktober wurde dann das gleichnamige Samsung Galaxy Book S mit Intels Lakefield-Prozessoren angekündigt. Das ARM-Projekt dürfte also auch für Samsung gestorben sein.

Dell, Acer, Huawei, LG, Medion und andere größere Hersteller haben bislang absolut gar kein Interesse an der Plattform bekundet. Die hohen Preise für die Hardware und die geringen Chancen auf Marktanteil schrecken bisher die PC-Bauer ab.

Zieht Microsoft den Stecker?

Angesichts dieser Umstände wirkt die Präsentation des Surface Pro X nicht wie der Beginn des Siegeszugs von Windows 10 ARM, sondern wie der letzte Rettungsversuch für eine sterbende Plattform, der Anfang vom Ende, wenn man so will.

Die Situation erinnert durchaus an Windows RT. Das Surface 2 wurde dann vorgestellt, als sich die Hersteller längst von der Plattform verabschiedet hatten und das Betriebssystem in Wahrheit schon tot war. Nicht allzu lange später sollte der Tod von Windows RT besiegelt werden. Die Gemeinsamkeiten sind da, nicht nur aus technischer Sicht.

Mit dem Surface Pro X hat Microsoft der Plattform zumindest theoretisch etwas Leben eingehaucht, wenn auch der Patient an einer Maschine für lebenserhaltende Maßnahmen hängt. Aus der Vergangenheit ist aber bekannt, dass Microsoft nicht allzu viel Geduld mit sterbenden Patienten hat. Ob nun Windows Phone, UWP oder Groove Music Pass. Ob Potenzial da ist oder nicht, spiel keine Rolle.

Windows 10 ARM hat zweifellos das Potenzial, den PC-Markt nachhaltig zu verändern und neue Formfaktoren und Benutzererlebnisse zu ermöglichen. Es stellt sich nur die Frage, ob die Plattform rasch genug das notwendige Interesse von Entwicklern und Endkunden wecken kann, um auch für Microsoft langfristig interessant zu bleiben. Ich werde beim Surface Pro X das Gefühl nicht los, dass mit dessen Release irgendein Countdown gestartet wurde. Aber ich hoffe sehr, dass es nicht so ist.

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"Entdeckung besteht darin, den gleichen Gegenstand wie alle anderen zu betrachten, sich aber etwas anderes dabei zu denken."
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