Editorial

Microsoft glaubt wohl, Foldables sind nicht das „Next Big Thing“

Windows hat keine mobile Strategie. Ein mobiles Windows existiert nicht. Die Android- und iOS-Strategie von Microsoft kann nur begrenzt erfolgreich sein, eingeschränkt selbstverständlich durch die Hausherren der jeweiligen Plattformen.

Was ist Windows wert ohne mobiler Strategie?

Microsoft hat mit Windows weiterhin eine Dominanz am Desktop, die allerdings mit den PC-Verkäufen Jahr für Jahr an Wert verliert. Dass diese ohne ein mobiles Windows auch heute schon nichts wert ist, beweist UWP sehr eindrucksvoll. Für reguläre Endkunden ist Windows in Wahrheit schon seit Jahren ersetzbar. Auf Smartphones und Tablets wird heute ein Großteil der täglichen Computing-Aufgaben erledigt und hier ist Windows schlicht und ergreifend irrelevant.

Chrome OS hat 60 Prozent Marktanteil bei der nächsten Generation

Noch greift der Mainstream-Kunde für anspruchsvollere Aufgaben zum Windows-Laptop oder 2-in-1. Nachdem aber Schulen vermehrt auf Chromebooks setzen, könnte das für kommende Generationen ganz anders aussehen. In den USA setzen 60 Prozent der Bildungseinrichtungen auf Chrome OS. Windows in der Schule kennen dort gerade mal 25 Prozent der Schüler.

Statt Windows und Office werden von der jüngsten Generation Chrome OS und Google Docs eingesetzt. Das sind die Unternehmer und Angestellten der Zukunft. Sie lernen das Bearbeiten von Dokumenten mit Google Docs und nicht mit Microsoft Office. Und mit steigender Relevanz von Chrome OS ist es nur eine Frage der Zeit bis beliebte Windows-Programme ihren Weg auf das Google-System finden. Chrome OS ist jetzt schon eine enorme Gefahr für Windows und Office. Die beiden Bereiche machen zwei Drittel des Umsatzes von Microsoft aus.

Microsoft:“Das Next Big Thing kommt von uns“

Nachdem die Lumia-Produktion eingestellt und die Entwicklung von Windows 10 Mobile beendet wurde, war man als Microsoft-Manager regelmäßig mit der Frage konfrontiert, wie es denn mit Windows im Mobilbereich weitergeht.

Man muss nicht lange in den WindowsArea.de-Artikeln der letzten drei Jahre stöbern, um unzählige Versprechungen von Microsoft-Managern zum „Next Big Thing“ im mobilen Bereich zu finden.

Microsofts Frankreich-Chef sagte Ende September 2016:“Wir arbeiten am next big thing.“

Satya Nadella sagte ziemlich genau ein Jahr später und ich zitiere wörtlich:

„Eines der Dinge, das wir bereits öfter gesagt haben, ist: Schauen Sie, was wir derzeit brauchen ist, nicht besessen zu sein von Kategorien, welche schon gesättigt sind. Zumindest nicht nach heutigen Regeln, was heute als Smartphone bezeichnet wird, wird sehr anders sein in der Zukunft.

Das antwortete der Microsoft-CEO übrigens auf die Frage, ob er jemals wieder ein Smartphone bauen würde. Sinngemäß möchte ich nun auch die anderen Manager zitieren: Wenn Microsoft wieder in den mobilen Bereich einsteigt, dann mit einer neuartigen Gerätekategorie, mit der man dann auch an vorderster Front stehen will.

Huawei Mate X: „Sehr anders“

Das Next Big Thing ist möglicherweise jetzt schon da. Und wir nennen die Produktkategorie Foldables, meinen aber aktuell einen faltbaren Hybrid aus Tablet und Smartphone. Die Hersteller beginnen erst, diesen Formfaktor zu erkunden und im Laufe der nächsten zwei Jahre sollten wir noch unzählige Innovationen und Verbesserungen sehen.

Nimmt man aber Nadellas Aussage von 2017 her, so könnte man sehr wohl davon sprechen, dass dieses Smartphone der Zukunft sehr anders aussieht. Es trifft zumindest auf die Definition jener Produktkategorie zu, die Nadella vor bald zwei Jahren als Wiedereinstiegspunkt in den mobilen Bereich sah.

Obwohl Microsoft schon seit 2012 am Foldable-Formfaktor arbeitet, sind andere die Innovationsträger in einem neu entstehenden Markt. Selbstverständlich werden nicht Millionen von Kunden zu ihrem Mobilfunkanbieter laufen und mehr für ein Smartphone ausgeben als viele für ihr erstes Auto. Es handelt sich jedoch auch nur um ein Produkt der ersten Generation mit extrem viel Luft nach oben für unzählige Verbesserungen. Das Samsung Galaxy Fold wurde letzte Woche vorgestellt und das Huawei Mate X sieht jetzt schon aus, als wäre es dessen Nachfolger, eine komplett neue Generation. Wie werden sich diese Produkte weiterentwickeln, wenn wir den Herstellern nur ein halbes Jahr geben?

Ich sage es mal so: So weit, dass Microsoft den Abstand nicht mehr aufholen kann. Microsoft hat es geschafft, den Vorsprung von Cortana von mehr als einem Jahr auf Alexa zu verlieren. Windows Phone war ebenfalls immer einen Schritt hinter der Konkurrenz und mit Microsoft Edge ist es in Wahrheit nicht anders. Microsoft schläft, läuft hinterher und stellt ein. Ich frage mich diesmal nur, ob Microsoft überhaupt in diesem Rennen mitlaufen wird.

Foldables: Enorme Plattform-Chance für Google

Smartphones werden immer größer und sie stehlen dem Desktop zweifellos Marktanteile. Reguläre Endkunden erledigen ihre täglichen Computing-Aufgaben am Smartphone und wer Samsungs Continuum-Klon auch zu nutzen weiß, braucht zuhause in Wahrheit dann auch keinen PC. Für den regulären Endkunden reicht das.

Windows 10 hat einen einzigen wachsenden Bereich und das sind 2-in-1s. Verkäufe von Laptops und Desktops sinken seit Jahren. Mit dem 2-in-1 ist Microsoft 2012 (übrigens noch unter CEO Steve Ballmer!) ein echter Coup gelungen, welcher Windows zweifellos neues Leben eingehaucht hat.

Google und Apple reagierten viel zu spät auf das 2-in-1 und hatten diesen Markt verloren. Das iPad Pro kam 2015 und verkauft sich zumindest in Westeuropa weiterhin schlechter als die Surface-Tablets, ganz zu schweigen von allen Windows 2-in-1s zusammen. Google ist in dem Bereich nicht existent. Dafür fehlt Google momentan das Betriebssystem sowie auch die Entwickler-Unterstützung. Niemand entwickelt in Wahrheit Apps für Android-Tablets.

Die Foldables öffnen Google allerdings diese Tür. Mit sinkenden Preisen spricht auch für Endkunden in Wahrheit nichts gegen dieses 2-in-1 aus Smartphone und Tablet. Warum sollte man ein iPhone XS Max für 1.600 Euro kaufen, wenn man das Huawei Mate X2 für ähnlich viel Geld bekommt? Und das ist sowohl Tablet als auch Smartphone. Mit steigender Relevanz der Smartphone-Tablets werden auch Apps hierfür optimiert. Tablet-Apps sind leistungsfähiger und umfangreicher als die Smartphone-Versionen und möglicherweise können es manche dieser Anwendungen dann mit ihren Windows-Äquivalenten aufnehmen. Lightroom auf dem Smartphone ist schon heute echt umfangreich. Echtes Photoshop für das iPad ist bereits in Arbeit. Es ist ehrlicherweise nur eine Frage der Zeit bis diese Anwendungen in ähnlicher Qualität ihren Weg auf die Android-Plattform finden.

Wer als App-Entwickler dann auf dem Smartphone relevant sein will, muss seine Anwendung an den neuen Formfaktor anpassen. Der Funktionsunterschied der Android-Apps zu Desktop-Programmen schmilzt und auch für professionellere Anwender könnte das Google-System langsam interessanter werden. Besonders dann, wenn Google wie bei den Chromebooks günstige Hardware rausbringt mit der neuen, gestärkten Android-App-Plattform im Rücken. Warum als kleiner YouTuber Windows 10 nutzen, wenn Premiere Pro am wesentlich günstigeren, effizienteren Google Fuchsia-Laptop ähnlich gut ist? Besonders dann, wenn dieser die Nutzung eines PCs eben nicht mit Windows, sondern mit Chrome OS gelernt hat…

Schlusswort

Zusammenfassend möchte ich folgendes sagen: Das ist Zukunftsmusik. Aber diese Zukunftsmusik klingt für Google aktuell wesentlich besser als für Microsoft. Google skaliert sein Android-Betriebssystem langsam hoch, während Microsoft es weiterhin nicht schafft, auch nur irgendwie einen Fuß in den mobilen Bereich zu setzen.

Wenn das Next Big Thing nun doch die Foldables sein sollten, ist Microsoft trotz seiner vielen Patente, Ideen und Konzepten jedenfalls nicht an vorderster Front. Und wenn man in einem derart schnelllebigen Markt nicht ganz vorne dabei ist, kann man einpacken. Das sollte Microsoft aus der Vergangenheit gelernt haben.

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"Entdeckung besteht darin, den gleichen Gegenstand wie alle anderen zu betrachten, sich aber etwas anderes dabei zu denken."
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