Editorial

Amazon hat den Smartphone-Markt verpasst und ist bald trotzdem überall

Microsoft und Amazon haben eine Sache gemein, die sie allerdings sehr stark von Apple und Google unterscheidet. Beide haben im Smartphone-Markt absolut versagt und enorme Verluste deswegen eingefahren. Im Endeffekt haben beide US-Konzerne ihre Bemühungen im Smartphone-Markt mit eigener Hardware vorzudringen, eingestellt.

Microsoft versucht seitdem über die mobilen Apps und die Verbindung zum Windows 10-PC die Nutzer dennoch dazu zu bringen, die eigenen Dienste zu verwenden. Das funktioniert vor allem dank der beliebten Office-Apps unter Android und iOS durchaus gut. Gerüchten zufolge will aber Microsoft weiterhin versuchen, irgendwie im mobilen Markt Fuß zu fassen. Project Andromeda zeugt davon, dass die Redmonder weiterhin nicht ganz aufgeben wollen. Wenn auch Andromeda ein neuer Formfaktor werden soll und kein Smartphone.

Amazon Alexa ist überall – Cortana war vorher da

Während Microsoft als einer der Smartphone-Verlierer weiterhin versucht, neue Gerätekategorien zu schaffen, hat dies Amazon längst geschafft. Und kommt damit über Umwege in die Haushalte und effektiv auch auf die Smartphones der Nutzer.

Cortana ist im Prinzip mit Microsofts Smartphone-Ambitionen gestorben, doch schon damals begann im Grunde erst der Siegeszug von Alexa. Binnen kürzester Zeit hat Amazon eigene Hardware geschaffen mit der digitalen Assistentin, brachte Unterstützung für verschiedene Sprachen mit und eroberte durch eine aggressive Preis- und Marketing-Politik den Markt.

Unterdessen hat Microsoft mit dem Harman Kardon Invoke den ersten, einzigen und wahrscheinlich letzten Cortana-Lautsprecher präsentiert. Und obwohl Cortana bereits wesentlich länger als Alexa auf dem Markt ist, brachten es die Redmonder nicht zustande, Cortana in Deutschland auch nur ansatzweise auf die Qualität von Alexa zu bringen. Und in den USA war Cortana einige Zeit lang besser als Alexa, aber auch diese Zeiten sind vorbei. Cortana kann Pakete nicht mehr verfolgen. Diese Funktion hat Microsoft ausgebaut. Cortana wird langsam aber sicher auseinandergebaut und die Features werden woanders implementiert.

Es wäre doch so einfach gewesen…

Als Cortana auf den Markt kam hieß diese Seite noch WParea.de.

Als Cortana auf den Markt kam hieß diese Seite noch WParea.de.

Dabei sah alles so vielversprechend aus. Es hätte ein spannender Vierkampf der digitalen Assistenten von Amazon, Apple, Google und Microsoft werden können. Die Kunden hätten enorm davon profitiert. Die Forschung der Unternehmen im Bereich künstliche Intelligenz wäre binnen kürzester Zeit für Endkunden in Form dieser Produkte sichtbar gewesen. Aktuell sieht es eher danach aus, als würden sich Amazon und Google diesen Markt teilen. Und wie man am Smartphone-Markt sieht, bedeutet ein Duopol nicht zwingend einen Innovationswettkampf.

Google war wie gewöhnlich spät dran und bot – im Gegensatz zu Microsoft übrigens – keinen digitalen Assistenten im eigenen Smartphone-Betriebssystem an. Dennoch haben sowohl Google als auch Amazon mit dem Assistant und Alexa Cortana binnen kurzer Zeit überholen können.

Microsoft hatte anfangs auch vor, um diesen Markt zu kämpfen. Und hätte damit durchaus erfolgreich sein können. Als Alexa noch in den Kinderschuhen stand, präsentierte man mit HP einen zweiten Cortana-Lautsprecher. Das Produkt hätte man beim PC-Kauf mitgeliefert, idealerweise kostenfrei. Das Ökosystem wäre gewachsen und Kunden hätten die kleinen Lautsprecher bei entsprechender Nützlichkeit auch zuhause aufgestellt. Mit fortschreitender Entwicklung hätte man die Smart Home-Integration verbessern oder gar mit verschiedenen Partnern neue Produkte vorstellen können. Im Grunde also genau das, was Amazon gerade macht. Und wenn man bereits einen digitalen Assistenten zuhause hat, der gut funktioniert, würden Nutzer keinen Grund zum Wechsel sehen. Microsofts zweite Chance war da.

Microsoft verschläft, die Konkurrenz macht weiter

Mit dem Fall des eigenen Smartphone-Systems hat Microsoft im Grunde alle Produkte, die damit irgendwie verbunden waren, direkt eingestellt. Erst Groove und nun wohl auch Cortana. Ohne darüber nachzudenken, welche Möglichkeiten diese Dienste auch abseits des Smartphones bieten könnten. Cortana war am Smartphone seit 2014 bereits in zahlreichen Sprachen verfügbar. Erst zwei Jahre später kam Alexa nach Deutschland. Es wäre deutlich weniger aufwendig gewesen für Microsoft, Cortana zu erweitern als es für Google und Amazon war, ihre digitalen Assistenten von Grund auf neu zu entwickeln. Und trotzdem liegen beide heute weit vor Microsoft. Selbst als Amazons Alexa langsam aufkam, wäre genügend Zeit gewesen, auf die Echo-Produkte zu reagieren.

Microsofts Problem ist nicht, dass man nicht reagieren konnte. Alexa brauchte mehr als 2 Jahre, um von der breite Masse an Konsumenten überhaupt als neue Gerätekategorie anerkannt zu werden. Microsoft hat auf Alexa auch reagiert. Allerdings nur halbherzig und völlig ohne Engagement. Selbstverständlich versagt auch ein gutes Produkt, das der Harman Kardon Invoke zweifellos ist, wenn dafür überhaupt kein Marketing betrieben wird, wenn kein Ökosystem existiert und wenn dahinter keine erkennbare Strategie steckt. Und selbst Google, wo man weder die Voraussetzungen von Microsofts Cortana, noch die Notwendigkeit hatte, noch mehr Endkunden zu erreichen, konnte sich einen guten zweiten Platz im Ambient Computing-Markt sichern.

Microsoft hat am Smartphone-Markt versagt. Amazon auch. Google nicht. Und dennoch nutzen Google und Amazon jede sich ergebende Chance, um weiterhin Endkunden zu erreichen, während Microsoft einen Markt nach dem anderen verschläft. Diesen Markt verpasst zu haben, welcher Microsoft auch im Cloud-Bereich neue Partner hätte bringen können, muss Microsofts aktueller Chef Satya Nadella auf seine Kappe nehmen. Windows Phone und alle damit verbundenen Dienste wurden fast schon blindwütig eingestellt und Amazon zeigt Microsoft nun eindrucksvoll, welches Potenzial in so einer digitalen Assistentin steckt.

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"Entdeckung besteht darin, den gleichen Gegenstand wie alle anderen zu betrachten, sich aber etwas anderes dabei zu denken."
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